Welche Möglichkeiten hat ein Erbe, der lediglich Anspruch auf den Pflichtteil hat, um an Informationen bezüglich des Umfangs des Erbes zu kommen, wenn der Haupterbe unzuverlässig oder nicht zur Auskunft bereit ist? Mit dieser Frage hat sich das Oberlandesgericht (OLG) Jena beschäftigt.
Nach Auffassung des OLG Jena hat der Pflichtteilsberechtigte ein berechtigtes Interesse, Kenntnis vom Umfang des Erbes zu erhalten. Das OLG Jena stellte in einem Beschluss vom 9. August 2001 – Az: 6 W 206/11 – fest, dass der Pflichtteilsberechtigte deshalb das Recht hat, Akteneinsicht in die Akte des zuständigen Nachlassgerichts zu erhalten. Erst durch die Akteneinsicht ist es ihm möglich, sich einen Überblick über das Erbe und seinen daraus resultierenden Anspruch auf den Pflichtteil zu verschaffen. Insoweit hat der Pflichtteilsberechtigte das nach § 13 Abs. 1 FamFG (Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit) erforderliche berechtigte Interesse. Berechtigt ist das Interesse deshalb, weil die Kenntnis über den Umfang des Erbes und damit die Kenntnis über die Höhe des Pflichtteils ihn in die Lage versetzen, entsprechend gegen den Erben vorzugehen.
Zu demselben Ergebnis kommt das OLG Hamm in einem Beschluss vom 26. August 2016 – Az: 15 W 73/16. Das Gericht hatte darüber zu entscheiden, ob ein Sohn, der von seinem Vater vom Erbe ausgeschlossen wurde und Anspruch auf den Pflichtteil hat, am Todestag Einblick in die gesamten Nachlassverfahrensakten einschließlich des Wertefragebogens nehmen darf. Nach Auffassung des Gerichts steht dem Pflichtteilsberechtigten nach § 13 Abs. 1 FamFG ein Recht auf Einsichtnahme in alle schriftlichen Unterlagen zu. Das schließt das Recht zur Akteneinsicht in die gesamten Verfahrensakten eines Testamentseröffnungsverfahrens ein, einschließlich des im Verfahren eingereichten, und vom Alleinerben ausgefüllten Wertfragebogens.
Die beiden Entscheidungen sind deshalb von Bedeutung, weil sich der Pflichtteilsberechtigte nicht auf seinen unmittelbaren Anspruch nach § 2314 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch) auf Auskunft gegenüber dem Erben verweisen lassen muss. Insoweit hat er durch die mögliche Akteneinsicht eine ihm zustehende Wahlalternative.