Mit Beschluss vom 27. April 2018 – 7 UF 18/18 – hat das Oberlandesgericht (OLG) Hamm entschieden, dass Eltern grundsätzlich nicht verpflichtet sind, eine zweite Ausbildung ihres Kindes zu bezahlen. Das gilt unter der Voraussetzung, dass Eltern ihrem Kind Unterhalt gezahlt und eine angemessene erste Ausbildung finanziert haben, die den Fähigkeiten und Neigungen des Kindes entspricht. Auch wenn das Kind danach keinen Arbeitsplatz findet, müssen Eltern ihrem Kind keine zweite Ausbildung finanzieren.
Der Entscheidung des OLG Hamm liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
Antragsteller war das Land Nordrhein-Westfalen (NRW), das von den Eltern Ausbildungsunterhalt in Höhe von 6.400 Euro verlangte. Das ist der Betrag, den NRW zwischen Oktober 2015 und September 2016 für Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG) an die Tochter gezahlt hat. Eltern müssen diese Leistungen rückerstatten, wenn die Tochter in dieser Zeit Anspruch auf Unterhalt hatte. Die Tochter hat nach der mittleren Reife die Schule verlassen, um in Mannheim den Studiengang Tanz aufzunehmen, den sie 2011 erfolgreich mit einem Tanzdiplom abschloss. Danach konnte sie jedoch keine Anstellung als Tänzerin finden. Deshalb entschloss sie sich, erneut die Schule zu besuchen, wo sie die allgemeine Hochschulreife erwarb. Nach dem Abitur studierte sie Psychologie in Münster, wofür sie vom Land NRW BAföG-Leistungen erhielt.
Die Entscheidung des OLG Hamm
Während das Amtsgericht Dortmund der Auffassung war, dass die Eltern auch die zweite Ausbildung ihrer Tochter bezahlen und deshalb die BAföG-Leistungen an das Land Nordrhein-Westfalen rückerstatten müssten, vertrat das OLG Hamm die gegenteilige Auffassung. Das Gericht begründete seine Entscheidung damit, dass im vorliegenden Fall die Eltern ihrer Tochter eine erste Berufsausbildung finanziert hätten, die auch den Fähigkeiten und Neigungen der Tochter entsprach, nämlich die Tanzausbildung. Aus diesem Grund seien sie nicht mehr verpflichtet, Unterhalt zu zahlen und die Kosten für eine zweite Ausbildung zu tragen. Ausnahmsweise kann es zu Abweichungen von diesem Grundsatz kommen, wenn nämlich die Erstausbildung aus gesundheitlichen oder sonstigen Gründen, die bei Ausbildungsbeginn nicht vorhersehbar waren, nicht ausgeübt werden kann. Im vorliegenden Fall greifen solche Ausschlussgründe nicht, denn die Tochter konnte keine Anstellung als Tänzerin finden. Da zwischen der ersten und der zweiten Ausbildung kein Sachzusammenhang besteht, ist das spätere Studium der Psychologie auch keine Weiterbildung, die auf das Tanzdiplom aufbaut, sodass auch in diesem Punkt eine Verpflichtung der Eltern auf Rückerstattung der Leistungen nicht vorliegt. Dass die Tochter aufgrund der desolaten Arbeitsmarktsituation keine Anstellung finden konnte, ist ein Risiko, das die Tochter selbst tragen muss und die Eltern nicht verpflichtet, weiterhin Unterhalt zu zahlen. Das bedeutet, dass die Tochter nach Abschluss einer Erstausbildung verpflichtet ist, selbst für ihren Unterhalt zu sorgen. Das gilt auch dann, wenn im erlernten Beruf keine Verdienstmöglichkeit mehr besteht.